Nora Karl studierte im Studiengang Strategische Produkt- und Innovationsentwicklung an der Bergischen Universität Wuppertal. Ihre Masterarbeit entstand in Kooperation mit der Stabsstelle Gleichstellung und Antidiskriminierung der Stadt Wuppertal sowie dem Modellprojekt Smart City Wuppertal.
Nora, wie lautet das Thema deiner Masterarbeit?
Der Titel meiner Masterarbeitet lautet „Entwicklung eines Konzepts zur Einbindung diverser Bevölkerungsgruppen in Stadtentwicklungsprojekte wie Smart City Wuppertal.“ Meine Arbeit ist mittlerweile abgeschlossen, ich habe sie als Buch binden lassen und diesem Buch den Titel „Über Brücken“ gegeben.
Worum geht es in deiner Masterarbeit?
Im Kern geht es darum, wie Bevölkerungsgruppen in Stadtentwicklungsprozesse eingebunden werden können. Das habe ich mir am Beispiel von Smart City einmal genauer angesehen.
Warum gerade am Beispiel von Smart City?
Ich persönlich habe eine Leidenschaft für das Thema Partizipation. Meine Professorin an der Uni hat Kontakt zur Stabsstelle Gleichstellung und Antidiskriminierung der Stadt Wuppertal. Gemeinsam haben wir nach spannenden Themen in der Stadt gesucht und sind zum Projekt Smart City und zum Thema der diversen Beteiligung in Stadtentwicklungsprozessen gekommen. Zumal die Gleichstellungsstelle anteilig eine Stelle im Projekt Smart City besetzt. Gerade im Smart City Projekt hat es bereits und wird es noch viele Beteiligungsprozesse geben.
Hattest du vorher schon Berührungspunkte zum Thema Smart City?
Nein, das war ein ganz neuer Themenbereich für mich. Smart City war mir ein Begriff, aber ich wusste nicht, dass Wuppertal auch im Rahmen der Smart City Projekte gefördert wird.
Wie hast du dich dem Thema Partizipation in Stadtentwicklungsprozessen genähert?
Ich habe mich im Rahmen meiner Forschung mit den Fragen auseinandergesetzt: Was ist eine Smart City? Was ist Bürger*innenbeteiligung? Woran liegt es, dass Menschen sich politisch – den jede Art der Beteiligung in Projekten wie Smart City ist politisch – beteiligen? Und dabei habe ich herausgefunden: Damit Menschen sich beteiligen, müssen sie sich beteiligen wollen, und müssen sich beteiligen können. Und sie brauchen Berührungspunkte mit Organisationen, die ihnen die Möglichkeit geben, sich einzubringen.
Du hast herausgearbeitet, dass das größte Problem in Bürgerbeteiligungsprozessen ist, dass sich immer die gleichen Akteur*innen melden und andere Gruppen nicht erreicht werden. Woran liegt das?
Genau, um dieses Problem herauszuarbeiten und zu erörtern, habe ich tolle Interviews mit verschiedenen Verwaltungsmitarbeiter*innen geführt, unter anderem auch mit Kader Chami, Smart-City-Expertin und Projektleiterin des Smart City Projekts Gesundes Tal. Ich habe mit ihr die Fragen erforscht, wo sie Potenziale sieht, bestimmte Zielgruppen, wie Frauen mit internationaler Geschichte, zu erreichen. Weitere Interviews habe ich mit Vertreter*innen der Gleichstellungsstelle geführt, dem Amt für Migration und Integration und mit dem Team Bürgerbeteiligung. In den Gesprächen ging es unter anderem auch um die generelle Planung von Beteiligungsformaten.
Und was sind deine Ergebnisse?
Die Interviews haben gezeigt, dass es drei Themenfelder gibt, die in der Verwaltung passieren müssen, um Beteiligungsformate so auszurichten, dass auch Gruppen erreicht werden, die sonst schwer zu erreichen sind.
1. Grundstein legen: Das bedeutet, dass z.B. in den Förderrichtlinien schon Projektzeiträume angepasst werden müssen, da die Planung von Formaten, die neue Zielgruppen erreicht, mehr Zeit in Anspruch nimmt. Es muss ein Bewusstsein und Motivation in der Verwaltung geschaffen werden, es müssen klare Zielgruppen und Ziele formuliert und verschiedene Perspektiven von Anfang an in der Zusammenarbeit verankert werden.
2. Ressourcen bündeln: Die Verwaltung alleine kann keine neue Zielgruppe erreichen, Projekte wie Smart City können nicht alleine neue Zugänge zu bestimmten Personengruppen schaffen. Ressourcen müssen gebündelt werden und neue Partner*innen mit einbezogen.
3. An Bedarfen ansetzen: Wie kann der Beteiligungskreislauf an den Bedarfen ansetzen? Wenn wir Ressourcen bündeln, also neue Partner*innen mit einbeziehen, die neue Erfahrungen mitbringen, müssen wir die Beziehungsarbeit zu diesen neuen Partner*innen stärken, ihnen auf Augenhöhe begegnen. Es muss ein Netzwerk aufgebaut werden, auf das in verschiedenen Projekten immer wieder drauf zurückgegriffen werden kann.
Hast du das Gefühl, solche Stellschrauben werden in der Verwaltung schon gedreht?
Ich habe das Gefühl, das in den einzelnen Abteilungen schon so gearbeitet wird, aber es fehlt ein übergreifendes Netz, in dem das Wissen gebündelt wird.
Wie kann man mit neuen Partner*innen, wir nennen Sie im weiteren Verlauf Mulitplikator*innen, zusammenarbeiten?
Mulitplikator*innen wollen nicht einfach nur befragt werden, sondern mitarbeiten. Wie kann die Zusammenarbeit für beide Seiten attraktiver werden? Es wäre sinnvoll, Multiplikator*innen von vornherein als Teil des Projektes mitzudenken und nicht erst mittendrin in das Projekt mit einzubeziehen.
Im Rahmen deiner Forschung hast du neben den Interviews auch einen Workshop im smart.lab durchgeführt, der die Frage thematisiert hat, wie eine synergetische Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und engagierten Stadtakteur*innen aussehen kann. Was waren die maßgeblichen Ergebnisse dieses Workshops?
Bei dem Workshop ging es um die Frage, wie eine Zusammenarbeit zwischen Mulitplikator*innen und Projektinitiator*innen in Zukunft stattfinden kann. Was braucht es, damit beide Seiten Lust haben, zusammenzuarbeiten? Es braucht eine gute Beziehungsebene, das heißt arbeiten auf Augenhöhe, konstruktives Arbeiten. Wo, also räumlich, können wir zusammenarbeiten? Da eignet sich das smart.lab als offener Raum für alle. Wichtig sind zudem gegenseitiger Austausch, Vorteile auf beiden Seiten und ein vorab festgelegtes Erwartungsmanagement. Was wird von mir erwartet und was kann ich geben?
Haben dich die Ergebnisse deiner Forschung überrascht?
Nicht direkt. Es sind keine Erkenntnisse, von denen man sagt, „Das hätte ich mir nie vorstellen können“. Aber es sind Themen, die man sich vor Augen führen muss um zu überlegen, welche Methoden sich daraus für eine gemeinsame Zusammenarbeit ableiten lassen können. Dabei habe ich verschiedene Beteiligungsebenen herausgearbeitet, die eine Zusammenarbeit erleichtern können: In Stufen aufbauend gibt es die Beobachter*in, die Netzwerker*in, die Ratgeber*in, die Brückenbauer*in und die Co-Pilot*in. Diese Einsortierung schützt uns vor falschen Erwartungen an die Zusammenarbeit.
Was machst du jetzt mit deiner Masterarbeit?
Ich fände es total cool, wenn sich daraus ein weiteres Projekt ergibt. Ich habe das Thema und die Arbeit jetzt ein bisschen an die Stabstelle Antidiskriminierung und Gleichstellung und an das Kernprojekt Smart City übergeben. Ich hoffe, dass sich daraus weitere tolle Ansätze ergeben.
Vielen Dank für das Gespräch!